Kündigungsschutzklage: Erst die Abmahnung, dann die Kündigung

Ein Arbeitgeber muss regelmäßig erst einmal abmahnen, bevor er das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen kann. Dies gilt insbesondere, wenn der betroffene Arbeitnehmer nur einmal unentschuldigt gefehlt hat und zwar auch, wenn dies bereits am dritten Arbeitstag passiert. Zu diesem Ergebnis kam jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein.

Das war geschehen

Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin zum 1.8.2019 eingestellt. Nachdem sie am 1. und 2.8. vor dem Wochenende gearbeitet hatte, blieb sie am 5. und 6.8. vereinbarungsgemäß zwecks Kindergarten-Eingewöhnung ihres Sohnes der Arbeit fern. Mit Schreiben vom 5.8. kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 12.8.2019. Am 7.8. fehlte die Arbeitnehmerin unentschuldigt. Für den 8. und 9.8. liegen Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen vor. Mit E-Mail vom 8.8. kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung ging der Arbeitnehmerin am 9.8. schriftlich zu.

Kündigungsschutzklage

Mit ihrer Kündigungsschutzklage wandte sich die Arbeitnehmerin nur noch gegen die zweite, fristlose Kündigung und verlangte, die gesetzliche Kündigungsfrist hinsichtlich der ersten Kündigung einzuhalten. Der Arbeitgeber hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Die Arbeitnehmerin habe gerade einmal zwei Tage gearbeitet und dann unentschuldigt gefehlt. Es handele sich um ein „gescheitertes Arbeitsverhältnis“. Hier sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen.

Fristlose Kündigung unwirksam

Das LAG hielt die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam. Eine vorherige Abmahnung sei notwendig. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin trotz Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Ihre Pflichtverletzung sei auch nicht derart schwerwiegend, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Anders als der Arbeitgeber meint, müsse er die zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit einhalten. Die kürzere Frist im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Es sei nicht gleichheitswidrig, wenn lediglich den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit der Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen zustehe. Deren Verhandlungsparität führe zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine vergleichbare Parität bestehe zwischen den Parteien des Individualarbeitsvertrags nicht.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3.6.2020, 1 Sa 72/20

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