Autor: theLaw

Beschäftigungsende: Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Wer in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Kündigung während der gesamten Kündigungsfrist der Arbeit aufgrund eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fernbleibt, muss damit rechnen, dass er unter Umständen keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in einer Gesamtbetrachtung aller Indizien als erschüttert angesehen. Im Rahmen der erforderlichen Beweisaufnahme konnte die Klägerin das Gericht nicht von ihrer Arbeitsunfähigkeit überzeugen.

Das war geschehen

Die als Pflegeassistentin beschäftigte Klägerin hatte am 4.5.2022 mit Datum vom 5.5.2022 ein Kündigungsschreiben zum 15.6.2022 verfasst. Darin hatte sie u.a. um die Zusendung einer Kündigungsbestätigung und der Arbeitspapiere an ihre Wohnanschrift gebeten. Sie bedankte sich für die bisherige Zusammenarbeit und wünschte dem Unternehmen alles Gute. Die Klägerin erschien ab dem 5.5.2022 nicht mehr zur Arbeit. Sie reichte durchgehend bis zum 15.6.2022 und damit genau für sechs Wochen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein. Die beklagte Arbeitgeberin zahlte keine Entgeltfortzahlung. Die Zahlungsklage blieb – anders als noch beim Arbeitsgericht (ArbG) – vor dem LAG erfolglos.

So sieht es das Landesarbeitsgericht

Das LAG verwies zunächst auf den hohen Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Eine Erschütterung kommt nicht nur dann in Betracht, wenn sich ein Arbeitnehmer in Zusammenhang mit seiner Kündigung einmal zeitlich passgenau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankschreiben lässt.

Krankschreibung genau bis zum Ende der Kündigungsfrist fragwürdig

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch erschüttert, wenn die Krankschreibung aufgrund mehrerer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist andauert, diese punktgenau den maximalen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen umfasst und sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Verfasser von vornherein nicht mehr mit seiner Anwesenheit rechnet.

Bei der Beweiswürdigung stellte das LAG entscheidend darauf ab, dass nach seiner Überzeugung die Klägerin ihrem Arzt Beschwerden vorgetragen hat, die tatsächlich nicht bestanden haben.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 2.5.2023

Dienste für einen Yoga-Verein: Arbeitnehmerstatus eines Vereinsmitglieds im Yoga-Ashram

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften kann nur von einem Verein in Anspruch genommen werden, der ein hinreichendes Maß an religiöser Systembildung und Weltdeutung aufweist. Andernfalls ist es ihm verwehrt, mit seinen Mitgliedern zu vereinbaren, außerhalb eines Arbeitsverhältnisses fremdbestimmte, weisungsgebundene Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu leisten, sofern diese nicht ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt sind.

Das war geschehen

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck „die Volksbildung durch die Verbreitung des Wissens, der Lehre, der Übungen und der Techniken des Yoga und verwandter Disziplinen sowie die Förderung der Religion“ ist. Zur Verwirklichung seiner Zwecke betreibt er Einrichtungen, in denen Kurse, Workshops, Seminare, Veranstaltungen und Vorträge zu Yoga und verwandten Disziplinen durchgeführt werden. Dort bestehen sog. Sevaka-Gemeinschaften. Sevakas sind Vereinsangehörige, die in der indischen Ashram- und Klostertradition zusammenleben und ihr Leben ganz der Übung und Verbreitung der Yoga Vidya Lehre widmen. Sie sind aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft verpflichtet, nach Weisung ihrer Vorgesetzten Sevazeit zu leisten. Gegenstand der Sevadienste sind z. B. Tätigkeiten in Küche, Haushalt, Garten, Gebäudeunterhaltung, Werbung, Buchhaltung, Boutique etc. sowie die Durchführung von Yogaunterricht und die Leitung von Seminaren. Als Leistung zur Daseinsfürsorge stellt der Beklagte den Sevakas Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung und zahlt ein monatliches Taschengeld von bis zu 390 Euro, bei Führungsverantwortung bis zu 180 Euro zusätzlich. Sevakas sind gesetzlich kranken-, arbeitslosen-, renten- und pflegeversichert und erhalten eine zusätzliche Altersversorgung.

Sevadienste = Arbeitszeit

Die Klägerin ist Volljuristin. Sie lebte vom 1.3.2012 bis zur Beendigung ihrer Mitgliedschaft beim Beklagten am 30.6.2020 als Sevaka in dessen Yoga-Ashram und leistete dort im Rahmen ihrer Sevazeit verschiedene Arbeiten. Die Klägerin hat geltend gemacht, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, und verlangt ab dem 1.1.2017 auf der Grundlage der vertraglichen Regelarbeitszeit von 42 Wochenstunden gesetzlichen Mindestlohn von 46.118,54 Euro brutto.

Beklagter behauptet Gemeinnützigkeit im Dienst der Gesellschaft

Der Beklagte hat eingewendet, die Klägerin habe gemeinnützige Sevadienste als Mitglied einer hinduistischen Ashramgemeinschaft und nicht in einem Arbeitsverhältnis geleistet. Die Religionsfreiheit gemäß Grundgesetz (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG) und das Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG) in Verbindung mit der Weimarer Verfassung (Art. 137 WRV) ermöglichten es, eine geistliche Lebensgemeinschaft zu schaffen, in der die Mitglieder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisteten.

Uneinigkeit der juristischen Instanzen

Das Arbeitsgericht (ArbG) Detmold hat – soweit für die Revision von Bedeutung – der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat die Klage auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg. Die Klägerin war Arbeitnehmerin des Beklagten und hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Sie war vertraglich zu Sevadiensten und damit zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Der Arbeitnehmereigenschaft stehen weder die besonderen Gestaltungsrechte von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften noch die Vereinsautonomie (gem. Art. 9 Abs. 1 GG) entgegen.

Yoga Vidya Lehre ist weder mit Weltreligionen gleichzustellen…

Der Beklagte ist weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft. Es fehlt das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung. Der Beklagte bezieht sich in seiner Satzung unter anderem auf Weisheitslehren, Philosophien und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen sowie auf spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen. Aufgrund dieses weit gefassten Spektrums ist ein systemisches Gesamtgefüge religiöser bzw. weltanschaulicher Elemente und deren innerer Zusammenhang mit der Yoga Vidya Lehre nicht hinreichend erkennbar.

noch wurde hier Vereinsautonomie ausgeübt

Auch die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) erlaubt die Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses allenfalls dann, wenn zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen werden. Zu diesen zählt unter anderem eine Vergütungszusage, die den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn garantiert, auf den Kost und Logis nicht anzurechnen sind. Denn dieser bezweckt die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG).

Das BAG konnte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend über die Höhe des Mindestlohnanspruchs der Klägerin entscheiden und hat den Rechtsstreit deshalb an das LAG zurückverwiesen.

Quelle | BAG, Urteil vom 25.4.2023

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 09/2023

Im Monat September 2023 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten:

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 11.9.2023
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 11.9.2023
  • Einkommensteuer (vierteljährlich): 11.9.2023
  • Kirchensteuer (vierteljährlich): 11.9.2023
  • Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 11.9.2023

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.9.2023. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat September 2023 am 27.9.2023.

Berechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2023 bis zum 31. Dezember 2023 beträgt 3,12 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,12 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,12 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht /  Basiszinssätze
ZeitraumZinssatz
01.01.2023 bis 30.06.20231,62 Prozent
01.07.2022 bis 31.12.2022-0,88 Prozent
01.01.2022 bis 30.06.2022-0,88 Prozent
01.07.2021 bis 31.12.2021-0,88 Prozent
01.01.2021 bis 30.06.2021-0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020-0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020-0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019-0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019-0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018-0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018-0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017-0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017-0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016-0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016-0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015-0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015-0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014-0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014-0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013-0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013-0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.20120,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.20120,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.20110,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.20110,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.20100,12 Prozent

Unzumutbarkeit: Auflösungsantrag des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess

Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer ein Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, muss das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeitgeber verurteilen, eine angemessene Abfindung zu zahlen. So hat es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschieden.

Es kommt auf die Unzumutbarkeit an

Dieser Grundsatz folgt aus dem Kündigungsschutzgesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG). In entsprechenden Fällen ist meist die Frage der Unzumutbarkeit ausschlaggebend. Dazu hat das LAG entschieden: Die gegen den Arbeitnehmer zum Ausdruck kommende, durch geänderte und schlechte Arbeitsbedingungen bei der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs gekennzeichnete feindselige Haltung des Arbeitgebers kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers rechtfertigen.

Das war geschehen

In dem Fall des LAG war der Arbeitgeber in erster Instanz zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt worden. Während des Berufungsverfahrens hatte er ihm die bisherigen Aufgaben nicht mehr zugewiesen. Er hat ihn vielmehr in eine andere Niederlassung versetzt.

„Feindliche Haltung“ des Geschäftsführers

Die Begründung hierfür überzeugte das LAG in keiner Weise. Er hätte auch den im Lauf der Arbeitsunfähigkeit oder des Kündigungsschutzprozesses mit den ursprünglichen Aufgaben des Arbeitnehmers betrauten Mitarbeiter in die andere Niederlassung versetzen können. Das LAG hat in der Befragung und Diskussion mit dem Geschäftsführer zudem den nachhaltigen Eindruck gewonnen, dass dieser die angedeutete Entscheidung der Arbeitsgerichte über die Kündigung nicht nachvollziehen kann und dass er dies den Arbeitnehmer weiterhin spüren lassen wird. Dem entspricht, dass er von einem Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitnehmer allein deswegen ausgeht, weil dieser den Firmenlaptop nicht sofort zurückgegeben hat. Der Arbeitnehmer kann bei einer derart feindlichen Haltung des Geschäftsführers nach der Überzeugung des LAG nicht damit rechnen, dass in Zukunft eine störungsfreie Weiterarbeit und ein unbelastetes Miteinander möglich ist. Dies rechtfertigt die Auflösung auf seinen Antrag hin.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 29.11.2022

Online-Möbelhaus: Keine Sonntagsarbeit im Kundenservice

Ein Möbelvertrieb, der seine Produkte ausschließlich im Internet anbietet, darf Arbeitnehmer im Kundenservice in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.

Voraussetzung für Ausnahmebewilligung lagen nicht vor

Die Klägerin vertreibt Möbel und Einrichtungsgegenstände im Internet. In Deutschland beschäftigt sie 1.635 Arbeitnehmer, wovon 215 im Kundenservice tätig sind, davon wiederum sieben im Bundesland Sachsen. Der Kundenservice wird gegenwärtig an Sonn- und Feiertagen vor allem durch deutschsprachige Beschäftigte in Callcentern in Polen und Irland erbracht. Den Antrag der Klägerin, ihr ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsarbeit für bis zu 14 Beschäftigte im Kundenservice im Homeoffice in Sachsen zu bewilligen, lehnte das hierfür zuständige Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit ab. Zur Begründung hieß es, die Klägerin nutze die gesetzlich zulässigen Betriebszeiten nicht weitgehend aus. Das sei aber Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung.

Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt?

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie meint, der Begriff der weitgehenden Ausnutzung der Betriebszeiten müsse im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Online-Handel, so verstanden werden, dass nur die betriebswirtschaftlich sinnvollen Zeiten – in ihrem Fall 90 Stunden pro Woche – angesetzt würden. Diese würde sie weitgehend ausnutzen. Es sei nicht sinnvoll, telefonischen Kundenservice nachts anzubieten, weil es dafür keine Nachfrage gebe. Ihre Kunden seien es gewohnt, den Kundenservice auch sonntags zu erreichen. Sei dies nicht mehr der Fall, würden die Kunden zu Konkurrenten abwandern. Damit sei auch ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt.

Das VG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne die begehrte Ausnahmebewilligung nicht verlangen. Zwar erlaube das Arbeitszeitgesetz ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsbeschäftigungen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt sei und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden könne. Im Fall der Klägerin fehle es aber bereits an einer weitgehenden Ausnutzung der zulässigen Betriebszeit, die grundsätzlich 144 Stunden betrage. Dies sei bei der wöchentlichen Betriebszeit der Klägerin von 90 Stunden, was nur etwa 63 Prozent entspreche, nicht der Fall. Insoweit sei der Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes eindeutig, und ein solches Verständnis stehe auch im Einklang mit dessen Sinn und Zweck sowie der Systematik.

Die Bestimmung des Arbeitszeitgesetzes sei Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe. Ausnahmen hiervon seien nur in besonderen Fällen gestattet. Im Übrigen sei es der Klägerin ohne Weiteres zumutbar, telefonische Auskünfte nur an Werktagen zu erteilen, zumal ihre Kunden Käufe durchgehend tätigen könnten. Auf die Frage der Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit komme es daher nicht an.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg möglich.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.4.2023

Vergütungsfortzahlung: Freistellung – Was Arbeitnehmer nachweisen müssen

Wer sich auf eine dauerhafte und bezahlte Freistellung beruft, muss diese nachweisen. Einen solchen Nachweis konnte ein Arbeitnehmer in einem aktuellen Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf nicht erbringen.

Das war geschehen

Der Kläger war seit 1994 im Bereich der Grünpflege bei der beklagten Stadt tätig. Er war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und tarifvertraglich ordentlich unkündbar. Er verdiente zuletzt monatlich 3.200 Euro brutto. Im Jahr 2015 erfolgte eine Abordnung zum Ordnungsamt. Mit einstweiligem Verfügungsverfahren erreichte der Kläger, dass die Abordnung Ende 2015 unter der Voraussetzung einer vertrauensärztlichen Untersuchung nicht endete. Die Stadt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass, sofern er seine Arbeitskraft nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit anbiete, diese bis auf Widerruf nicht angenommen werde, insbesondere nicht vor dem Vorliegen des amtsärztlichen Untersuchungsergebnisses. Es werde auf das persönliche Anbieten der Arbeitsleistung verzichtet und der Arbeitswille unterstellt. Gleichzeitig zahlte die Stadt eine Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugslohns.

Ein Versetzungsantrag des Klägers an das Ordnungsamt scheiterte. Im November 2017 bot die Stadt dem Kläger eine Einsatzmöglichkeit im Amt für Straßen und Verkehr an. Trotz mehrfacher Versuche kam es nicht zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und der Stadt. In einem weiteren gerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Essen erklärte die Stadt nochmals, dass eine Tätigkeit im Bereich Straßen und Verkehr für den Kläger vorhanden sei. Das Verfahren wurde ruhend gestellt und der Kläger nahm einen Termin zum Kennenlernen wahr. Dieser verlief negativ. Nach der Vorstellung des Klägers in einem Museum im Frühjahr 2018 kam es dort zu keiner Einstellung. Der Kläger ist seitdem unbeschäftigt. Er erhielt gleichwohl fortlaufend seine vereinbarte Vergütung. Die Stadt forderte den Kläger Anfang 2022 auf, im Rathaus zu erscheinen, um über seine weitere Tätigkeit zu sprechen. Hierzu wurde kein Einvernehmen erzielt.

Das wollte der Kläger

Der Kläger hat mit der Klage begehrt, festzustellen, dass er seitens der Stadt unwiderruflich und unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden sei. Der für ihn zuständige Sachgebietsleiter habe dies bereits im Februar 2018 erklärt. Er habe ausdrücklich nachgefragt, wie lange dies dauern solle. Der Sachgebietsleiter habe geantwortet, dass dies dauerhaft und unwiderruflich sei. Er brauche auch keine weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren mehr zu führen. Dem hat die Stadt widersprochen. Eine entsprechende Zusage habe es nicht gegeben. Hierzu sei der Sachgebietsleiter zudem nicht befugt gewesen. Außerdem würden Personalgespräche bei ihr auf Arbeitgeberseite grundsätzlich durch zwei Personen geführt.

Arbeitsgericht wies Klage ab

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Abrede zu einer dauerhaften unwiderruflichen Freistellung mit Fortzahlung der Vergütung habe der Kläger nach Vernehmung einer Zeugin, einer Bekannten des Klägers, und eines Zeugen, des Sachgebietsleiters, nicht beweisen können.

Landesarbeitsgericht bestätigt Arbeitsgericht

Nachdem der Kläger den im ersten Kammertermin vor dem LAG geschlossenen Vergleich fristgerecht widerrufen hatte, hat es nun in der Sache entschieden. Es hat die gegen das Urteil des ArbG gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Seine Entscheidung ist damit rechtskräftig.

Das LAG hat insbesondere die Beweiswürdigung des ArbG nicht beanstandet. Im Übrigen, so das LAG, war die behauptete Erklärung bei Würdigung aller Umstände ohnehin nicht im Sinne einer Freistellung zu verstehen, die tatsächlich unwiderruflich war. Und weiter fehlte es an der erforderlichen Vollmacht des Sachgebietsleiters zu der vom Kläger behaupteten Erklärung.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2023

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 08/2023

Im Monat August 2023 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten:

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): 10.8.2023
  • Lohnsteuerzahler (Monatszahler): 10.8.2023
  • Gewerbesteuerzahler: 15.8.2023 (16.8.2023*)
  • Grundsteuerzahler: 15.8.2023 (16.8.2023*)

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 18.08.2023 (21.8.2023*). Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat August 2023 am 29.08.2023.

* Gilt für Bundesländer, in denen der 15.8.2023 (Mariä Himmelfahrt) ein Feiertag ist.

Berechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2023 bis zum 31. Dezember 2023 beträgt 3,12 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,12 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 9,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht /  Basiszinssätze
ZeitraumZinssatz
01.01.2023 bis 30.06.20231,62 Prozent
01.07.2022 bis 31.12.2022-0,88 Prozent
01.01.2022 bis 30.06.2022-0,88 Prozent
01.07.2021 bis 31.12.2021-0,88 Prozent
01.01.2021 bis 30.06.2021-0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020-0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020-0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019-0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019-0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018-0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018-0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017-0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017-0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016-0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016-0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015-0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015-0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014-0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014-0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013-0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013-0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.20120,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.20120,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.20110,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.20110,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.20100,12 Prozent

Vergütungskürzung: Arbeitspflichten im Verein: Arbeitsrecht ist zu beachten

Auch, wenn Arbeitsleistungen in Vereinen aufgrund einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung erbracht werden, dürfen arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen werden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein klargestellt.

Ein Verein hatte für Kanalsteurer auf dem Nord-Ostsee-Kanal die von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes eingezogenen Entgelte an seine Mitglieder ausgeschüttet. Der Verein bestimmte per Satzungsklausel zur Vergütung der Kanalsteurer für eine einzelne Gehaltsgruppe eine Kürzung um 30 Prozent. Ein Mitglied klagte und bekam vor dem OLG Recht. Der Beschluss der Mitgliederversammlung habe die schutzwürdigen Belange des Mitglieds unangemessen beeinträchtigt. Er habe gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Der Verein umging zudem zwingende arbeitsrechtliche Vorschriften. Wäre das Mitglied aufgrund eines Arbeitsvertrags statt der Vereinsmitgliedschaft tätig geworden, wäre es vor einer einseitigen Gehaltskürzung geschützt gewesen. Der Verein hätte die Vergütung nur im Rahmen einer Änderungskündigung – mit gesetzlichen Mindestkündigungsfristen – kürzen können.

Quelle | OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.2.2023

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