Kündigungsschutzklage: Schlägerei im Linienbus führt zur Kündigung des Fahrers

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Göttingen hat die Kündigungsschutzklage eines Busfahrers gegen die Göttinger Verkehrsbetriebe GmbH als unbegründet abgewiesen. Sein Verhalten in dem konkreten Fall sei eine schwerwiegende Pflichtverletzung gewesen. |

Fahrer schlägt Fahrgast: fristlose Kündigung

Der Kläger ist seit 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und wurde im Sommer 2023 fristlos gekündigt. Die Beklagte hat dem Kläger vorgeworfen, dass dieser einen Fahrgast gewaltsam von seinem Sitz gezogen und aus dem Bus geworfen habe. Nachdem der Fahrgast auf den Boden gefallen und wieder aufgestanden war, soll der Kläger ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.

Der Kläger behauptete, dass der alkoholisierte Fahrgast eine junge Frau belästigt habe. Zudem habe er sich geweigert, einen Fahrausweis zu zeigen und ihn – den Kläger – beleidigt. Auf Aufforderung habe er den Bus nicht verlassen. Nach dem Rauswurf habe der Fahrgast mit einer Getränkedose in der Hand eine Bewegung auf ihn zu gemacht und sich ihm drohend genähert. Daraufhin habe er – der Kläger – im Affekt eine Abwehr-/Schlagbewegung vollführt.

Der Bus ist mit sechs Überwachungskameras ausgestattet. Das ArbG hat die Videoaufzeichnungen in Augenschein genommen. Darauf ist zu erkennen, dass die Vorwürfe der Beklagten im Wesentlichen zutreffen. Der Kläger hat den Fahrgast, nachdem dieser auf seine Ansprache und die Aufforderung, den Bus zu verlassen, nicht reagierte, vom Sitz gezogen, wodurch dieser noch im Bus hingefallen ist. Im Anschluss daran griff der Kläger den Fahrgast von hinten an der Kleidung, um ihn aus dem Bus zu befördern. Auf dem Bürgersteig ist der Fahrgast aufgestanden. Daraufhin hat der Kläger ihn in der Nähe des Halses an der Kleidung gepackt und mit der Faust ausgeholt. Ob er den Fahrgast getroffen hat, ist auf dem Video nicht eindeutig zu erkennen.

Ob der alkoholisierte Fahrgast zuvor andere Fahrgäste belästigt hatte, ließ sich über die Videoaufzeichnungen nicht feststellen. Im Vorfeld war eine junge Frau aufgestanden, da sie den Fahrgast offensichtlich als unangenehm empfunden hat. Zum Zeitpunkt des Vorfalls befand sich diese aber nicht mehr in der Nähe.

Große Belastung durch schwierige Fahrgäste, aber Abmahnung nicht nötig

Nach Ansicht des Gerichts stellt das Verhalten des Klägers eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung dar. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass schwierige Fahrgäste für Busfahrer eine große Belastung darstellen. Nachdem der Fahrgast den Bus nicht freiwillig verlassen wollte, hätte der Kläger aber die Leitstelle oder die Polizei anrufen können und müssen. Eine vorherige Abmahnung war aus der Sicht des Gerichts nicht erforderlich. Quelle | ArbG Göttingen, Urteil vom 23.1.2024

Kündigungsschutzklage: Erst die Abmahnung, dann die Kündigung

Ein Arbeitgeber muss regelmäßig erst einmal abmahnen, bevor er das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen kann. Dies gilt insbesondere, wenn der betroffene Arbeitnehmer nur einmal unentschuldigt gefehlt hat und zwar auch, wenn dies bereits am dritten Arbeitstag passiert. Zu diesem Ergebnis kam jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein.

Das war geschehen

Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin zum 1.8.2019 eingestellt. Nachdem sie am 1. und 2.8. vor dem Wochenende gearbeitet hatte, blieb sie am 5. und 6.8. vereinbarungsgemäß zwecks Kindergarten-Eingewöhnung ihres Sohnes der Arbeit fern. Mit Schreiben vom 5.8. kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 12.8.2019. Am 7.8. fehlte die Arbeitnehmerin unentschuldigt. Für den 8. und 9.8. liegen Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen vor. Mit E-Mail vom 8.8. kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung ging der Arbeitnehmerin am 9.8. schriftlich zu.

Kündigungsschutzklage

Mit ihrer Kündigungsschutzklage wandte sich die Arbeitnehmerin nur noch gegen die zweite, fristlose Kündigung und verlangte, die gesetzliche Kündigungsfrist hinsichtlich der ersten Kündigung einzuhalten. Der Arbeitgeber hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Die Arbeitnehmerin habe gerade einmal zwei Tage gearbeitet und dann unentschuldigt gefehlt. Es handele sich um ein „gescheitertes Arbeitsverhältnis“. Hier sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen.

Fristlose Kündigung unwirksam

Das LAG hielt die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam. Eine vorherige Abmahnung sei notwendig. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin trotz Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Ihre Pflichtverletzung sei auch nicht derart schwerwiegend, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Anders als der Arbeitgeber meint, müsse er die zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit einhalten. Die kürzere Frist im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Es sei nicht gleichheitswidrig, wenn lediglich den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit der Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen zustehe. Deren Verhandlungsparität führe zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine vergleichbare Parität bestehe zwischen den Parteien des Individualarbeitsvertrags nicht.

Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3.6.2020, 1 Sa 72/20

Kündigungsschutzklage: Private Nutzung eines Firmenwagens: Keine Kündigung ohne Abmahnung

Vor Ausspruch einer Kündigung ist es oft erforderlich, zunächst eine Abmahnung auszusprechen. Diese geht – in vielen Fällen – der Kündigung als mildestes Mittel vor. Hierauf hat aktuell noch einmal das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hingewiesen.

Der Arbeitgeber hatte in der Vergangenheit die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten gestattet. Ein Arbeitnehmer hatte dann das Fahrzeug ohne Erlaubnis genutzt, da er in diesem Moment nicht die Möglichkeit hatte, Kontakt zu seinem Vorgesetzten aufzunehmen.

Der Arbeitgeber hatte das zum Anlass genommen, dem Arbeitnehmer zu kündigen. Dessen Kündigungsschutzklage hatte vor dem LAG Erfolg. Es machte deutlich, dass die Pflichtverletzung hier nicht so groß sei, dass sie eine umgehende Kündigung rechtfertigen würde. Es sei in diesem Fall vielmehr erforderlich gewesen, vor Ausspruch der Kündigung die Pflichtverletzung abzumahnen.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern

Kündigungsschutzklage: Redakteurin: Kündigung wegen Vorwurf antisemitischer Äußerung?

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat die Kündigung einer Redakteurin des Senders Deutsche Welle für unwirksam erklärt. Die Redakteurin hatte sich bereits vor ihrem Arbeitsverhältnis antesemitisch geäußert.

Kündigungsschutzklage war erfolgreich

Der Sender hat zur Begründung der Kündigung geltend gemacht, die Redakteurin habe sich mehrfach israelfeindlich und antisemitisch in anderen Medien geäußert. Dies widerspreche den Grundsätzen der Deutschen Welle, wie sie ausdrücklich in Guidelines und Positionspapieren festgehalten seien. Das ArbG hat jedoch der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Sender zur Weiterbeschäftigung der Redakteurin verurteilt.

Es bestand noch kein Vertragsverhältnis

Das ArbG: Antisemitische Äußerungen könnten ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Wenn es nicht um Äußerungen im Rahmen der Arbeit für den Sender gehe, könne hierin eine Verletzung von Loyalitätspflichten liegen. Soweit es aber um Äußerungen gehe, die vor Bestehen eines Vertragsverhältnisses zum Sender erfolgt seien, fehle es mangels bestehenden Vertrags zu dieser Zeit an einer für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderlichen Vertragspflichtverletzung.

Personalrat wurde nicht hinzugezogen

Eine personenbedingte Kündigung hatte die Beklagte nicht ausgesprochen und dazu auch nicht ihren Personalrat beteiligt. Auch bei Äußerungen während einer vorherigen Beschäftigung auf Honorarbasis könne nicht ohne Weiteres ein „Durchschlagen“ als Pflichtverletzung auf ein späteres Arbeitsverhältnis angenommen werden. Zudem müsse jeweils eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Zusammenhangs von Äußerungen erfolgen.

Redakteurin hatte sich distanziert

Wenn man berücksichtige, dass die Redakteurin sich in einer für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärung von früheren Äußerungen distanziert habe und keine Abmahnung vorliege, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar. Im Hinblick hierauf könne keine negative Prognose für ein künftig zu erwartendes Fehlverhalten gestellt werden.

Weder Abmahnung noch Fristwahrung

Unabhängig hiervon sei für die außerordentliche Kündigung die Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände nicht eingehalten. In Bezug auf die gegenüber der klagenden Redakteurin erhobenen Vorwürfe erschließe sich die Erforderlichkeit der vorherigen zweimonatigen Untersuchung nicht, von der der Sender ausgegangen war.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 5.9.2022

Kündigungsschutzklage: Angekündigter Amoklauf: fristlose Kündigung möglich

Kündigt ein Arbeitnehmer einer Kollegin gegenüber glaubhaft an, er beabsichtige, seinen Vorgesetzten aus dem Fenster zu schmeißen und er sei kurz vor einem Amoklauf, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg.

Der Arbeitnehmer war bei der beklagten Stadt seit über 13 Jahren in der Buchhaltung beschäftigt. Er äußerte gegenüber seiner Kollegin nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten: „Diesen kleinen Wicht schmeiße ich aus dem Fenster. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Ich bin kurz vor‘m Amoklauf. Ich sage dir, bald passiert was. Der lebt gefährlich, sehr gefährlich.“

Der Arbeitnehmer erhielt daher eine fristlose und hilfsweise eine fristgerechte Kündigung. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage.

Das ArbG wies die Klage ab. Es hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt, nachdem es die Kollegin als Zeugin vernommen hatte. Der Kündigungsgrund lag nach Auffassung des ArbG darin, dass der Arbeitnehmer in ernst zu nehmender Art und Weise gegenüber seiner Kollegin Äußerungen getätigt habe, die sowohl die Ankündigung für eine Gefahr von Leib und Leben des Vorgesetzten als auch die Ankündigung eines Amoklaufs beinhaltet hätten. Er habe die Drohung nach Überzeugung des Gerichts absolut ernst gemeint. Eine vorherige Abmahnung sei in diesem Fall entbehrlich. Eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten.

Quelle | ArbG Siegburg, Urteil vom 4.11.2021, 5 Ca 254/21

Verbale Entgleisung: „Hier herrscht ein Hitlerregime!“ rechtfertigt fristlose Kündigung

Grobe Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Vorgesetzten stellen einen Grund für eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung dar. Solche Entgleisungen sind als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiegt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dann nicht. So entschied jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Arbeitnehmer erhielt Kündigung und bedrohte daraufhin Geschäftsführer

Der Arbeitnehmer war ins Büro des Geschäftsführers zitiert worden. Dort überreichte ihm dieser – für den Arbeitnehmer überraschend – sein Kündigungsschreiben zur ordentlichen Kündigung. Der Arbeitnehmer wollte daraufhin eigentlich gehen. Er sei dann aber umgekehrt und habe den Geschäftsführer beschimpft: Er sei „wie Hitler“ und wolle „die schwarzen Köpfe ausmerzen“. Der Arbeitnehmer hatte wohl auch arabische Flüche ausgestoßen und zudem geäußert, er werde mit seinen Kindern in den Betrieb kommen, damit sie sehen könnten, wer dafür verantwortlich sei, dass sie nichts zu essen hätten.

Schwerwiegende Entgleisung rechtfertigt fristlose Kündigung

Der Kündigung waren etliche Streitigkeiten vorausgegangen. So war der Arbeitnehmer bereits abgemahnt worden. Das LAG: Das gesamte o. g. Verhalten des Arbeitnehmers stelle eine bedrohliche Handlung gegenüber dem Geschäftsführer dar. Diese Entgleisungen seien als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere auch keine vorherige Abmahnung.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 6.11.2020, 10 Sa 280/19

Nach Abmahnung: Fristlose Kündigung trotz „Rotzlappenbefreiung“ wirksam

Ein Servicetechniker hatte einen Mund-Nasen-Schutz nicht getragen, obwohl der Arbeitgeber dies angeordnet hatte. Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat die außerordentliche Kündigung für wirksam befunden, die der Arbeitgeber nach erfolgloser Abmahnung ausgesprochen hatte.

Das war geschehen

Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt. Aufgrund der Pandemie wies der Beklagte alle Servicetechniker an, bei Kundenkontakt eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Anfang Dezember 2020 weigerte sich der Kläger, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der auf das Tragen einer Maske bestand.

Der Kläger reichte bei der Arbeitgeberin ein auf Blankopapier ausgestelltes ärztliches Attest unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein. Dort heißt es, dass es für den Kläger „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. Daraufhin erteilte die Arbeitgeberin dem Kläger die Weisung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Sie erkenne das Attest mangels konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht an, werde aber die Kosten für den medizinischen Mund-Nasen-Schutz übernehmen.

Der Kläger lehnte den Serviceauftrag weiter ab. Die Arbeitgeberin mahnte ihn zunächst ab. Unbeeindruckt teilte der Kläger mit, er werde den Einsatz auch künftig nur durchführen, wenn er keine Maske tragen müsse. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin ihm.

Die Argumente des Arbeitsgerichts

Das ArbG Köln hat dessen Kündigungsschutzklage abgewiesen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, den angeordneten und vom Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, habe der Kläger wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen.

Das Attest rechtfertige das Verhalten des Klägers nicht: Denn zum einen sei das Attest nicht aktuell gewesen. Zum anderen sei es ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbilds nicht aussagekräftig, um zu rechtfertigen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit sei.

Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen. Denn er habe den Mund-Nasen-Schutz als „Rotzlappen“ bezeichnet und sei dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen.

Gegen das Urteil ist die Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln möglich.

Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 17.6.2021, 12 Ca 450/21

Abmahnung: Anzeigepflicht für Nebentätigkeit eines Redakteurs

Eine tarifliche Regelung, nach der ein angestellter Zeitschriftenredakteur dem Verlag die anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht anzeigen muss, soll dem Verlag regelmäßig ermöglichen, zu prüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen, so jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift „W.“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften anzuwenden. Danach bedarf ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags. Der Arbeitsvertrag der Parteien verlangt anstelle der schriftlichen Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion.

Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt u. a. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“ gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien – ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten – in der T.-Zeitung ein Beitrag des Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Er sah u. a. seine Berufsfreiheit sowie sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit verletzt. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte auch beim BAG keinen Erfolg. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger abzumahnen. Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen europäisches Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers regelmäßig zurücktreten, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen.

Quelle | BAG, Urteil vom 15.6.2021, 9 AZR 413/19

Beweispflicht: Arbeitnehmer: Entschädigungsanspruch bei Mobbing

Ein Anspruch auf eine „billige Entschädigung in Geld“ wegen einer Gesundheitsbeschädigung aufgrund von Mobbing setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer konkret darlegt, wann welcher Arzt welche Erkrankung bei ihm diagnostiziert haben will. Allein der Umstand, dass sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befindet, genügt nicht. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden.

Die Richter machten deutlich: Der betroffene Arbeitnehmer muss zudem beweisen, aufgrund welcher Umstände gesundheitlich neutrale Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Kündigung oder arbeitsrechtliche Weisungen) konkret geeignet sein sollen, eine Gesundheitsbeschädigung hervorzurufen.

Im vorliegenden Fall standen 14 Abmahnungen in acht Jahren, eine verhaltensbedingte Kündigung, zwei erfolglose Anhörungsverfahren beim Integrationsamt wegen des mittlerweile einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers, ein Entgeltrechtsstreit und mehr im Raum. Nach Ansicht des LAG stelle dies aber weder einzeln noch in der Gesamtschau eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn es jeweils – wie vorliegend – einen konkreten sachlichen Anlass für die Maßnahmen des Arbeitgebers gab. Hier kam hinzu, dass der Kläger gegen nahezu sämtliche Handlungen des Arbeitgebers gerichtlich vorgegangen war und hierbei überwiegend obsiegt hatte.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 10.7.2020, 4 Sa 118/20

Pflichtverletzung: Rechnungen besser genau prüfen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt verdeutlicht: Ein Arbeitnehmer, der eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig zeichnet, ohne dies geprüft zu haben bzw. in dem Wissen, dass dieses nicht zutrifft, haftet für einen Schaden, der durch die Begleichung der Rechnungssumme entsteht. 

Im Streitfall ging es um eine aufaddierte Rechnungssumme von über 260.000 Euro im Baugewerbe, die – trotz eines sog. Vier-Augen-Prinzips im betrieblichen Ablauf – beglichen wurde, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden. Das Arbeitsgericht (AG) Stralsund als Vorinstanz erkannte eine Schadenersatzsumme von rund 170.000 Euro an.

Im vorliegenden Fall erfülle das Verhalten des Arbeitnehmers zumindest die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, die regelmäßig eine volle Haftung bewirke, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.5.2020, 2 Sa 180/19

  • 1
  • 2

5,0 Sterne bei Google
über 300 Rezensionen