Wachpolizisten: Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten

Das An- und Ablegen einer auf Weisung des Arbeitgebers während der Tätigkeit als Wachpolizist zu tragenden Uniform und persönlichen Schutzausrüstung nebst Dienstwaffe ist keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer die dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeiten nicht nutzt, sondern sich im privaten Bereich umkleidet und rüstet. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte den Klagen von zwei beim beklagten Land angestellten Wachpolizisten im Zentralen Objektschutz zum Teil stattgegeben und Vergütung für die Umkleidezeiten zugesprochen. Die auf vollständige Vergütung der Wegezeiten gerichteten Klagen wurden dagegen im Wesentlichen abgewiesen. Nur soweit der eine Kläger einen Umweg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen hatte, stellte das LAG die Vergütungspflicht fest.

Die Revisionen der Kläger hatten vor dem BAG keinen, die Revisionen des beklagen Landes nur zum Teil Erfolg: Das Umkleiden und Rüsten mit einer besonders auffälligen Dienstkleidung, persönlichen Schutzausrüstung und Dienstwaffe ist keine zu vergütende Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer eine dienstlich zur Verfügung gestellte Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeit nicht nutzt, sondern für die Verrichtung dieser Tätigkeiten seinen privaten Wohnbereich wählt. Ebenfalls nicht vergütungspflichtig ist die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit, denn der Arbeitsweg zählt zur privaten Lebensführung.

Dagegen ist die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten. Es handelt sich um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit.

Quelle | BAG, Urteil vom 31.3.2021, 5 AZR 292/20, PM Nr. 7/21

Teilzeitbeschäftigung: Betriebliche Altersversorgung entsprechend Beschäftigungsumfang

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt klargestellt: Eine Versorgungsregelung kann wirksam vorsehen, dass bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Dienstzeiten im Rahmen der Berechnung des Altersruhegelds die Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung lediglich anteilig berücksichtigt werden. Ebenso kann eine Versorgungsregelung vorsehen, dass eine Höchstgrenze eines Altersruhegelds bei in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern entsprechend dem Teilzeitgrad während des Arbeitsverhältnisses gekürzt wird. Diese Regelungen stellen keine unzulässige Diskriminierung wegen der Teilzeitarbeit dar. 

Sachverhalt

Die Klägerin war annähernd 40 Jahre bei der Beklagten überwiegend in Teilzeit beschäftigt. Seit dem 1.5.2017 bezieht sie auf Grundlage der im Betrieb der Beklagten geltenden Konzernbetriebsvereinbarung („Leistungsordnung“) ein betriebliches Altersruhegeld. Dessen Höhe hängt von dem zum Ende des Arbeitsverhältnisses erreichten versorgungsfähigen Einkommen und den zurückgelegten anrechnungsfähigen Dienstjahren ab. Soweit das maßgebende Einkommen ein Entgelt für Teilzeitarbeit ist, wird das Einkommen zugrunde gelegt, das der Mitarbeiter in Vollzeit erzielt hätte. Die Leistungsordnung enthält ferner eine Regelung, wonach Dienstzeiten in Teilzeitarbeit nur anteilig angerechnet werden. Die anrechnungsfähige Dienstzeit ist auf höchstens 35 Jahre begrenzt. Wird dieser Zeitraum überschritten, werden die Jahre mit dem für den Arbeitnehmer günstigsten Verhältnis berücksichtigt. Nach der Leistungsordnung gilt für das Altersruhegeld eine absolute Höchstgrenze von 1.375 Euro im Monat, wenn das Einkommen bei Eintritt des Versorgungsfalls die maßgebende Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung übersteigt. Bei der Klägerin sieht die Leistungsordnung einen Teilzeitfaktor von 0,9053 vor, obwohl sie in ihrem annähernd 40 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnis insgesamt 34,4 Vollzeitarbeitsjahre gearbeitet hat.

Gegen die Berücksichtigung des Teilzeitfaktors hat sich die Klägerin mit ihrer auf die Zahlung der Differenz zum höchstmöglichen Altersruhegeld gerichteten Klage gewandt. Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr teilweise stattgegeben.

Bundesarbeitsgericht: Teilzeitfaktor keine Benachteiligung

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Die in der Leistungsordnung vorgesehene Berechnung des Altersruhegelds unter Berücksichtigung eines Teilzeitgrads ist wirksam. Die Klägerin wird nicht wegen ihrer Teilzeitarbeit benachteiligt, weil ihre über annähernd 40 Jahre erbrachte Arbeitsleistung nicht in 34,4 Vollzeitarbeitsjahre umgerechnet wurde. Mit einem Arbeitnehmer, der 34,4 Jahre in Vollzeit gearbeitet und dann in den Altersruhestand getreten ist, ist sie nicht vergleichbar. Sie kann nicht geltend machen, dass sie wegen ihrer Teilzeitarbeit benachteiligt wird, weil der nach der Leistungsordnung ermittelte Teilzeitfaktor auch auf die Versorgungshöchstgrenze angewandt wird. Sie erhält vielmehr ein Altersruhegeld in dem Umfang, der ihrer erbrachten Arbeitsleistung im Verhältnis zur Arbeitsleistung eines gleich lange im Unternehmen der Beklagten in Vollzeit tätigen Arbeitnehmers entspricht. Das ist zulässig.

Quelle | BAG, Urteil vom 23.3.2021, 3 AZR 24/20, PM Nr. 5/21

Freizeitausgleich: Auch in Pausen ständig erreichbar? Dann ist es Arbeitszeit!

Ein Beamter hat Anspruch auf Freizeitausgleich, soweit die ihm gewährten Pausenzeiten in „Bereithaltung“ als Arbeitszeit zu qualifizieren sind und hieraus eine dienstliche Inanspruchnahme über die durchschnittlich zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus resultiert. Zu diesem Ergebnis kam das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Der Bundespolizist (der Kläger) beanspruchte die Anrechnung der Pausenzeiten in „Bereithaltung“ auf die Arbeitszeit im Umfang von (ursprünglich) 1.020 Minuten. Die einzelne Pause belief sich auf jeweils 30 bis 45 Minuten. Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte, seine Arbeitgeberin, dem Kläger bezogen auf verschiedene Arbeitstage ab August 2013 Pausenzeiten im Umfang von insgesamt 510 Minuten auf die Arbeitszeit anzurechnen, weil in diesen Zeitabschnitten der Charakter von Arbeitszeit überwogen habe. Im Übrigen blieben Klage und Berufung erfolglos.

Auf die Revision des Klägers verurteilte das BVerwG die Beklagte, dem Kläger weiteren Freizeitausgleich im Umfang von 105 Minuten zu gewähren. Der Kläger könne sich auf den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit stützen. Dessen Voraussetzungen seien bezogen auf die gewährten Pausenzeiten gegeben. Denn hierbei handele es sich um Arbeitszeit und nicht um Ruhezeit.

Für die insoweit vorzunehmende Abgrenzung sei maßgeblich, ob die im Rahmen einer Pausenzeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie die Möglichkeiten, sich zu entspannen und sich Tätigkeiten nach Wahl zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beschränken. Solche objektiv ganz erheblichen Beschränkungen lägen vor, wenn ein Bundespolizeibeamter bei anlässlich von Maßnahmen der präventiven oder repressiven Gefahrenabwehr (im vorliegenden Fall Durchsuchungsmaßnahmen und die Vollstreckung eines Haftbefehls) seine ständige Erreichbarkeit verbunden mit der Pflicht zur sofortigen Dienstaufnahme während der ihm gewährten Pausenzeiten sicherstellen müsse. Dann seien die Pausenzeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren.

Auf den Umfang der tatsächlichen dienstlichen Inanspruchnahme komme es nicht an. Die Verpflichtung zum Tragen von Einsatzkleidung sowie zum Mitführen von Dienstwaffe und Dienstfahrzeug genüge für sich betrachtet jedoch nicht

Quelle | BVerwG, Urteil vom 13.10.2022

Leiharbeit: Sachgrundlose Befristung nach Arbeitnehmerüberlassung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat drei Entfristungsklagen von Arbeitnehmern bei der Volkswagen AG (VW) stattgegeben und in weiteren sieben Fällen die Berufung gegen die klageabweisenden Urteile zurückgewiesen.

Die Kläger waren bei VW sachgrundlos vom 1.9.2019 bis zum 31.5.2020 beschäftigt. Zuvor bestanden Arbeitsverhältnisse seit Anfang September 2016 mit der Firma AutoVision. Diese ist mit der Beklagten wirtschaftlich verbunden, aber rechtlich selbstständig. Die Kläger waren von Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Firma AutoVision von dieser als Leiharbeitnehmer bei VW eingesetzt. Die früheren Arbeitsverhältnisse waren zunächst befristet. Die Kläger und AutoVision verlängerten die Befristung zweimal. Die Kläger haben sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Fristablaufs gewandt und Rechtsmissbrauch geltend gemacht. Sie waren der Auffassung, die Eingliederung bei VW aufgrund der Leiharbeit in dem früheren Zeitraum von nahezu drei Jahren habe gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit verstoßen.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat sämtliche Klagen abgewiesen. In drei Verfahren hat das LAG der Berufung stattgegeben, weil auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien wegen fehlender Gewerkschaftszugehörigkeit der Kläger ein Tarifvertrag, der eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten vorsieht, nicht anzuwenden ist. Bei den übrigen, tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen hat das LAG die Überlassung als rechtswirksam angesehen. Es hat insbesondere keinen Verstoß gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit angenommen. Auch den Einwand des Rechtsmissbrauchs hat es verneint. Das LAG hat in allen Fällen die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Quelle | LAG Niedersachsen

Bundesarbeitsgericht: Beweislast im Überstundenvergütungsprozess

Der Arbeitnehmer muss zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden erstens darlegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Zweitens muss der Arbeitnehmer vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat, da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss. Diese vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht, ein System zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, nicht verändert.

Das war geschehen

Der Kläger war als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten beschäftigt, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt. Seine Arbeitszeit erfasste der Kläger mittels technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung von über 5.000 Euro brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Es sei nicht möglich gewesen, Pausen zu nehmen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Die Beklagte hat dies bestritten.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, werde die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat das Urteil des ArbG geändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht: Pauschale Behauptung reicht nicht aus

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das LAG hatte richtig erkannt, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist. Diese ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) und gemäß der Charta der Grundrechte der EU (Art. 31 GRCh) ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen darauf, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie sind indes grundsätzlich nicht auf die Vergütung der Arbeitnehmer anzuwenden. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit wirke sich deshalb nicht auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess aus. Hiervon ausgehend hat das LAG zutreffend angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht. Das Berufungsgericht konnte daher offenlassen, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe keine Pausen gehabt, überhaupt stimmt.

Quelle | BAG, Urteil vom 4.5.2022

Berechnungsformel: Urlaubsanspruch bei Wechselschichttätigkeit

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat entschieden: Bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind Freischichten nicht zu berücksichtigen, wenn diese bei Fälligkeit des Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahrs nicht dienstplanmäßig feststehen.

Das war geschehen

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land im Gefangenenbewachungsdienst in Wechselschicht beschäftigt. Das beklagte Land stellt die Dienstpläne für das jeweils folgende Kalenderjahr vor Beginn des Jahres auf und sieht bei der Dienstplanung einen durchgehenden Turnus im gesamten Kalenderjahr ohne Einplanung von Freischichten, Urlaubstagen und Zusatzurlaubstagen vor. Die Dienstpläne haben einen von der 5-Tage-Woche abweichenden Schicht-Rhythmus. Aufgrund der Abweichung ist die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 S. 4 TV-L gesondert zu berechnen.

Dies erfolgt nach der Formel:

Urlaubstage x Arbeitstage im Jahr bei abweichender Verteilung

Arbeitstage im Jahr bei einer Fünftagewoche

Streit besteht zwischen den Parteien darüber, wie die in der Formel einzusetzenden Arbeitstage zu ermitteln sind. Das beklagte Land hat bei der Ermittlung der Arbeitstage der Klägerin die durchschnittlich zum Zweck der Einhaltung der tariflichen Jahresarbeitszeit in der Wechselschicht zu gewährenden Freischichten von den dienstplanmäßig vorgesehenen Schichten abgezogen. Die Freischichten seien abzuziehen, weil während dieser Schichten keine Arbeitspflicht bestehe. Die Klägerin hält den Abzug der Freischichten von den dienstplanmäßigen Arbeitstagen für unzulässig und hat auf die Feststellung weiterer Urlaubstage geklagt.

So sieht es das LAG

Das LAG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Bei einer von der Fünf-Tage-Woche abweichenden Verteilung der Arbeitszeit sei zu ermitteln, an wie vielen Kalendertagen dienstplanmäßig gearbeitet werden muss oder – in Fällen des nachträglichen Wegfalls der Arbeitspflicht, etwa wegen Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs oder sonstiger Freistellung – hätte gearbeitet werden müssen. Bei einem zu Beginn des Kalenderjahrs durchgängig für das gesamte Jahr aufgestellten Dienstplan ohne Einplanung von Freischichten seien Arbeitstage alle Kalendertage, an denen die Beschäftigten für einen Arbeitseinsatz in der Tag- oder Nachtschicht vorgesehen seien. § 26 Abs. 1 S. 3 TV-L regele ausdrücklich, dass Arbeitstage solche Kalendertage seien, an denen die Beschäftigten dienstplanmäßig zur Arbeit vorgesehen seien. Nachträgliche Änderungen des Dienstplans hätten keinen Einfluss auf den Jahresurlaubsanspruch, der am 1.1. des Kalenderjahrs fällig sei und genommen werden könne. Es könne nicht erst am Jahresende rückblickend geprüft und festgestellt werden, wie viele Freischichten an ursprünglich geplanten Arbeitstagen tatsächlich gewährt worden seien – im Fall der Klägerin deutlich weniger als die durchschnittlich zu gewährenden Freischichten.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.5.2022

Rettungsassistent: „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn“: Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung

Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch – unverbindliche – Wünsche anmelden können, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden. So entschied es nun das Bundesarbeitsgericht (BAG).

So regelte der Arbeitgeber die Arbeitszeiten

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbands u. a. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt – nach ihrer Diktion – sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger.

Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht, zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.

Das verlangte der Arbeitnehmer

Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

So sahen es die Gerichte

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des ArbG geändert und die Beklagte verurteilt, die geforderte Vergütung zu zahlen.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das LAG hat danach richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund dafür, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist.

Höhere Stundenvergütung, weil Schichten nicht abgelehnt werden können,…

Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr u. a. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve.

… ist nicht gerechtfertigt

Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Beklagte lässt insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Kein Arbeitsunfall: Anbringen einer Frostschutz-Abdeckung am Auto gehört nicht zum Arbeitsweg

Das Anbringen einer Frostschutz-Abdeckung an der Autoscheibe gehört nicht zum Arbeitsweg. Wer dabei umknickt, erleidet keinen Arbeitsunfall. Das gilt nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt z. B., wenn das Anbringen der Abdeckung den eigentlichen Weg deutlich unterbricht.

Um das Auto herumgegangen und umgeknickt

Die Klägerin hatte sich an einem Wintertag mit dem Pkw auf den Weg zur Arbeit gemacht. Auf einem Parkplatz in der Nähe ihrer Arbeitsstelle stieg sie aus, um die letzten ca. 200 Meter zu Fuß zurückzulegen. Wegen der frostigen Temperaturen brachte sie aber zunächst eine Abdeckmatte an der Frontscheibe ihres Wagens an. Dazu ging sie nach den Feststellungen des Gerichts um das Auto herum. Auf der Beifahrerseite knickte sie dann beim Zurücktreten um und brach sich das Sprunggelenk. Die zuständige Unfallkasse weigerte sich, dies als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Unterbrechung des Arbeitswegs aus außerbetrieblichen Gründen

Zu Recht, wie das LSG entschieden hat. Das Anbringen der Frostschutz-Abdeckung nach dem Ende der Autofahrt und vor dem Antritt des restlichen Wegs zu Fuß habe nicht zum Arbeitsweg gehört, sondern diesen aus außerbetrieblichen Gründen unterbrochen. Das vorsorgliche Abdecken einer Autoscheibe nach dem Abstellen des Autos stelle eine unversicherte Handlung dar, die allein der Vorbereitung einer (späteren) Fahrt diene. Hier habe es sich nicht um eine für den Versicherungsschutz unschädliche private Verrichtung „im Vorbeigehen“ gehandelt. Denn das Abdecken der Scheibe habe einen räumlichen Abweg und eine ganz vom Weg unabhängige Verrichtung erfordert. Deshalb habe eine deutliche Unterbrechung des Arbeitswegs vorgelegen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle | LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.12.2022

Arbeitszeitkonto: So leicht kann der Arbeitgeber den Saldo nicht bestreiten

Führt der Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und weist er vorbehaltlos eine bestimmte Anzahl von Guthabenstunden aus, stellt er damit den Saldo des Kontos streitlos. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, muss er folgendermaßen vorgehen: Ausgehend von einer gestuften Darlegungslast muss er im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. |

Diese Grundsätze gelten nach der Entscheidung aber nicht, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Die Darlegungslast richtet sich nach den für einen Überstundenprozess geltenden Maßstäben.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 5.11.2019, 5 Sa 73/19

Änderungskündigung: Elternzeit schützt nicht vor Kündigung

Eine Arbeitnehmerin hat sich erfolglos gegen eine während der Elternzeit aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen Änderungskündigung gewandt. Das Integrationsamt hatte der Kündigung zugestimmt. Dabei bleib es auch nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg.

Durch die Änderung sollte das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen und mit den Aufgaben durchgeführt werden, die die Arbeitnehmerin vor Zuweisung des nach Behauptung der Arbeitgeberin weggefallenen anderweitigen Arbeitsplatzes innehatte. Bei einer Änderungskündigung handelt es sich nämlich um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses – verbunden mit dem gleichzeitigen Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen.

Der ursprüngliche Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin sei durch eine zulässige unternehmerische Entscheidung weggefallen. Eine Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen sei nicht mehr möglich. Deshalb habe die Arbeitgeberin nach der Zustimmung des Integrationsamts der Arbeitnehmerin auch während der Elternzeit kündigen und ihr anbieten dürfen, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.

Da die Arbeitnehmerin das Änderungsangebot abgelehnt hat, wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg

Teilzeitanspruch: „Voraussichtlich“ im Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit auf jeden Fall vermeiden

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat jetzt klargestellt: Der Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeit während der Elternzeit muss den Bestimmtheitsanforderungen entsprechen, wie sie allgemein an Vertragsanträge gestellt werden. Daher wird ein Antrag diesen Anforderungen nicht gerecht, wenn die gewünschte wöchentliche Stundenzahl mit der Einschränkung „voraussichtlich“ angegeben wird.

Folge: Verwendet der Arbeitnehmer das Wort dennoch, ist der Antrag unwirksam. Die beabsichtigte Teilzeittätigkeit ist nicht möglich.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.3.2021, 6 Sa 746/20

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