Arbeitslosigkeit – Härtefallregelung: Pandemiefolgen sind bei Sperrzeit zu berücksichtigen

Wird eine abhängige Beschäftigung zwecks Wiederaufnahme einer pandemiebedingt aufgegebenen Selbstständigkeit gekündigt, liegt zumindest ein Härtefall vor. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen jetzt entschieden.

Der Antragsteller war seit 2000 mit einer Eventagentur selbstständig. Er stellte diese Tätigkeit aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen im Veranstaltungssektor 2020 ein. Am 31.01. kündigte er das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis als Berufskraftfahrer zum 28.2.2022 und meldete sich arbeitslos. Die Bundesagentur für Arbeit als Antragsgegnerin stellte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum (1.3. bis 23.5.2022) fest. Hiergegend erhob der Antragsteller Klage.

In zweiter Instanz hat das LSG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller bis zum 23.5.2022 Arbeitslosengeld zu zahlen. Hinsichtlich der ersten sechs Wochen der Sperrzeit hat es seine Beschwerde jedoch zurückgewiesen. Es bestünden zu große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids für die Zeit ab dem 13.4.2022. Zwar habe der Antragsteller durch seine Kündigung die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Fraglich sei aber bereits, ob dies grob fahrlässig gewesen sei. Der Antragsteller habe im Januar 2022 noch davon ausgehen dürfen, dass er ab März 2022 wieder mit der Eventagentur tätig werden könne.

Aber auch, wenn angesichts der unsicheren Pandemielage Anfang des Jahres 2022 von einer grob fahrlässigen Herbeiführung ausgegangen werden sollte, sei die Annahme einer besonderen Härte mit der Folge einer Verkürzung der Sperrzeit auf sechs Wochen geboten. Es sei mindestens unverhältnismäßig hart, den Versuch eines vor der pandemiebedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbstständig Tätigen, diese Tätigkeit wiederaufzunehmen, mit der Regelsperrzeit von zwölf Wochen zu sanktionieren, wenn – wie hier – ein berechtigter Grund zu der Annahme vorliege, dass die selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen werden könne.

Quelle | LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1.9.2022

Ausgestreckter Mittelfinger: Außerordentliche Kündigung? Auf die Umstände kommt es an!

Die fotografisch festgehaltene Geste eines Flugzeugkapitäns, der am Ende des letzten regulären Flugeinsatzes an der von seinem Arbeitgeber geschlossenen Station nach Landung und Räumung des Flugzeugs mit seiner Crew gemeinsam den ausgestreckten Mittelfinger in Richtung Kamera hält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung begründen. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.

Das LAG: So ist es jedenfalls, wenn diese Geste nachweislich gegen den Arbeitgeber gerichtet und damit beleidigend gemeint ist. Ist die Geste hingegen unwiderlegt als ein symbolisches Ausstrecken des Mittelfingers in Richtung „Corona“ als dem Grund für die Schließung der Flugzeugbasis und damit den Verlust der Arbeitsplätze gemeint, begründet das damit lediglich noch vorliegende unangemessene Verhalten keine außerordentliche Kündigung. Das gilt erst recht, wenn sich in der Firmenzentrale bekanntermaßen ein großes Wand-Bild mit einer beide Mittelfinger ausstreckenden Seniorin als Kunstobjekt befindet und mithin der Arbeitgeber selbst gegenüber derlei Gesten ein entspanntes Verhältnis pflegt.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 5.4.2022

Schweres Dienstvergehen – Beamter: Lieber keine dienstliche Anordnungen verweigern

Weigert sich eine Beamtin, dienstliche Anordnungen bezüglich der Corona-Pandemie umzusetzen, kann sie aus dem Dienst entfernt werden. Das hat nun das Verwaltungsgericht (VG) Trier klargestellt.

Das war geschehen

Der Beamtin wurde zur Last gelegt, beharrlich kundgetan zu haben, sich nicht an eine Hausverfügung zur Umsetzung einer Corona-Bekämpfungsverordnung bezüglich der Corona-Testpflicht nach längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz halten zu wollen. Sie werde sich auch vor dem anstehenden Einsatztraining und Dienstsport nicht testen lassen. Ihre Verweigerungshaltung äußerte sie in einer E-Mail an den Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA), gegenüber ihrem Vorgesetzten sowie in einem Personalgespräch. Sie äußerte sich gegenüber Kollegen, dem Vorgesetzten und dem JVA-Leiter wiederholt kritisch gegen die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, indem sie die Corona-Pandemie u.a. als „Propagandazirkus, gezielte Angst- und Panikmache sowie gezielte Täuschung des Staates“ bezeichnete und riet Gefangenen von einer Impfung ab. Das Land erhob Klage, um die Beamtin aus dem Dienst zu entfernen.

Schweres Dienstvergehen: Vertrauensbasis erschüttert

Das VG wertete die beharrliche Verweigerungshaltung der Beamtin sowie ihre wiederholten innerdienstlichen Äußerungen als einheitliches schweres Dienstvergehen. Damit habe sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Die ernsthaft gemeinte Ankündigung eines Beamten, einer Weisung zukünftig nicht Folge leisten zu wollen, könne eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben.

Nicht nur eigene Meinung kundgetan, sondern auch Gefangene manipuliert

Mit ihren Äußerungen habe sie die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten. Sie habe den Rahmen sachlicher Kritik an Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung weit verlassen. Die Beamtin habe ihr Vertrauensverhältnis zu den von ihr zu betreuenden Gefangenen dazu ausgenutzt, diese im Rahmen einer Abfrage der Impfbereitschaft durch gezielte einseitige, manipulative Informationen von einer Impfung abzuhalten. Damit habe sie gegen ihre Pflicht zur gewissenhaften Pflichterfüllung im Strafvollzug verstoßen. Mit ihrem Verhalten habe sie klar zu erkennen gegeben, dass sie sich aus allein eigennützigen Motiven an die aus Fürsorgegesichtspunkten erlassenen Schutzmaßnahmen für Leib und Leben nicht gebunden fühle und sich dieser Gemeinwohlverpflichtung nicht unterwerfen wolle.

Beamtin war unbelehrbar

Durch das im Laufe des Verfahrens zutage getretene unbelehrbare Persönlichkeitsbild der Beamtin sei auch künftig ein pflichtgemäßes Verhalten nicht zu erwarten. Eine Entfernung aus dem Dienst sei daher geboten.

Quelle | VG Trier, Urteil vom 21.6.2022

Youtube-Video: Meinungsfreiheit überstrapaziert: Lehrer erhält fristlose Kündigung

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat die fristlose Kündigung eines Lehrers des Landes Berlin als wirksam erachtet, der auf YouTube ein Video veröffentlicht hat, das eine Darstellung des Tores eines Konzentrationslagers mit der Inschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ enthielt.

Das war geschehen

Der Lehrer hat ein YouTube-Video unter dem Titel „Sie machen Tempo! Und Ich denke…“ veröffentlicht. Am Anfang des Videos wird für etwa drei Sekunden ein Bild eingeblendet, auf dem das Tor eines Konzentrationslagers abgebildet ist. Der Originalschriftzug des Tores „ARBEIT MACHT FREI“ wurde durch den Text „IMPFUNG MACHT FREI“ ersetzt. Es folgt dann eine ebenfalls etwa drei Sekunden lange Einblendung eines Tweets des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der eine Ausweitung der Impfangebote ankündigt und in dem er die Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ trifft. Die Einblendungen zu Beginn des Videos werden weder durch Text noch durch mündliche Erklärungen näher erläutert. Abrufbar war das Video unter einem Standbild der ersten Einblendung des Videos.

Das Land Berlin hat den Lehrer u. a. wegen der Veröffentlichung dieses Videos fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt. Der Lehrer setze in dem Video das staatliche Werben um eine Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleich. Damit verharmlose er die Unrechtstaten der Nationalsozialisten und missachte die Opfer. Der Lehrer habe seine Schüler aufgefordert, seinen außerdienstlichen Aktivitäten im Internet zu folgen und sich in anderen Videos auch als Lehrer des Landes Berlin vorgestellt.

Der Lehrer sieht in dem Video hingegen keinen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Er habe mit dem privaten Video ausschließlich scharfe Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten üben und deutlich machen wollen, dass diese der menschen- und rechtsverachtenden Polemik des Nationalsozialismus nahekomme. Das Video sei durch das Grundrecht auf Meinungsäußerung und Kunstfreiheit gedeckt.

So sah es das Arbeitsgericht

Das ArbG hat die Kündigungsschutzklage des Lehrers abgewiesen. Eine Auslegung des Inhalts des Videos ergebe nicht nur eine Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten, sondern auch an der allgemeinen, auch vom Land Berlin und der Schulsenatorin getragenen Impfpolitik. Dabei überschreite der Lehrer durch den Vergleich des Bildes mit dem Text „IMPFUNG MACHT FREI“ mit der Impfpolitik das Maß der zulässigen Kritik. Die Kritik des Lehrers sei nicht mehr durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit gedeckt, sondern stelle eine unzulässige Verharmlosung des Holocausts dar. Eine Weiterbeschäftigung des Lehrers sei aus diesem Grund unzumutbar.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 12.9.2022

Kündigungsschutzklage: Kündigung einer Musicaldarstellerin wegen fehlender Corona-Schutzimpfung

Ein Arbeitgeber darf in einem Musicalaufführungsbetrieb ein „2G-Modell“ durchsetzen und einer Darstellerin, die über keine Corona-Schutzimpfung verfügt, noch vor Vertragsbeginn kündigen. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin. Es wies die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin ab.

Die Arbeitnehmerin hat mit zwei Veranstaltungsgesellschaften Arbeitsverträge für die Proben und die Beschäftigung in einem Musical geschlossen. Vor Vertragsbeginn erfuhren die Arbeitgeberinnen, dass die Arbeitnehmerin ungeimpft war und kündigten die Arbeitsverhältnisse ordentlich fristgerecht. Die Arbeitnehmerin hatte angeboten, täglich Testnachweise vorzulegen. Das ArbG hat die Kündigungen für wirksam erachtet.

Das ArbG: Die Kündigungen seien insbesondere keine Maßregelung. Die persönliche Haltung der Arbeitnehmerin zur Corona-Schutzimpfung sei nicht tragendes Motiv für den Kündigungsentschluss gewesen, sondern habe lediglich den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitgeber könne als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit das „2G-Modell“ als allgemeingültiges Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze im Betrieb durchsetzen. Wenn dies mit der höchstpersönlichen Entscheidung der Arbeitnehmerin, sich nicht impfen zu lassen, unvereinbar sei, liege keine Maßregelung vor.

Der Ausschluss nicht geimpfter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstoße auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch sei das „2G-Modell“ nicht willkürlich gewählt, da insbesondere das tägliche Vorlegen eines negativen Corona-Testergebnisses die Betriebsabläufe stärker beeinträchtigen und die Beschäftigung nicht geimpfter Personen aufgrund der strengeren Quarantäneregelungen ein höheres Risiko für etwaige Personalausfälle für den Musicalbetrieb darstellen würde. Die Arbeitnehmerin könne nicht verlangen, dass die Arbeitgeberinnen ein Schutzkonzept umsetzen, das einen höheren Kosten- und Personalaufwand verursache, da neben der unternehmerischen Handlungsfreiheit der Arbeitgeberinnen auch die körperliche Unversehrtheit der übrigen Belegschaft zu berücksichtigen sei.

Gegen diese Entscheidung ist die Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg gegeben.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 3.2.2022

Sozialschutzpaket: Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Die Corona-Pandemie hat nach wie vor Einfluss auf den Arbeitsmarkt in Deutschland. Die Bundesregierung reagiert mit unterschiedlichen Maßnahmen, u. a. dem Sozialschutzpaket und erleichtertem Kurzarbeitergeld. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stellt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber Informationen auf ihrer Website zur Verfügung. |

Quelle | BMAS, Coronavirus: Informationen zu Kurzarbeit und Sozialschutz

Corona-Pandemie: Lockdown: Arbeitgeber trägt nicht das Betriebsrisiko

Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhält in Bremen eine Filiale. Dort ist die Klägerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432 Euro im Verkauf tätig. Im April 2020 war das Ladengeschäft aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23.3.2020 geschlossen. Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.

Mit ihrer Klage hat sie die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt. Sie hat gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei ein Fall des von der Beklagten als Arbeitgeberin zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die von der Stadt Bremen zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Unterschiedliche Sichtweisen der Instanzen

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die vom Landesarbeitsgericht (LAG) zugelassene Revision der Beklagten beim BAG hatte Erfolg. Das BAG: Die Klägerin hat für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Arbeitgeber trägt nicht Risiko des Arbeitsausfalls

Der Arbeitgeber trägt auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage.

Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem

Es ist Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen – wie es zum Teil mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschehen ist. Soweit ein solcher – wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigte – nicht gewährleistet ist, beruht dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lässt sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Quelle | BAG, Urteil vom 13.10.2021, 5 AZR 211/21

Kündigungsschutzklage: Bei gefälschtem Genesennenachweis droht Kündigung

Die Vorlage eines gefälschten Genesenennachweises anstelle eines tagesaktuellen Corona-Tests oder Impfnachweises kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin entschieden und eine Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Regeln des Infektionsschutzgesetzes

Nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 28b Abs. 1 InfSchG in der vom 24.11.2021 bis 19.3.2022 gültigen Fassung) durften Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur nach Vorlage eines Impfnachweises, eines Genesenennachweises oder eines tagesaktuellen Tests im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung betreten.

Das war geschehen

Der als Justizbeschäftigter bei einem Gericht tätige Kläger legte einen Genesenennachweis vor, obwohl bei ihm keine Corona-Erkrankung festgestellt worden war, und erhielt so Zutritt zum Gericht ohne Vorlage eines aktuellen Tests oder Impfnachweises. Nachdem festgestellt wurde, dass es sich bei dem Genesenennachweis um eine Fälschung handelte, erklärte das Land Berlin als Arbeitgeber nach Anhörung des Justizbeschäftigten die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Kündigung ist nach der Entscheidung des ArbG wirksam, weil der erforderliche wichtige Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege.

Justizbeschäftigter: erkennbar, dass Fälschung Konsequenzen haben würde

Der Arbeitgeber habe einen Zutritt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28b Abs. 1 InfSchG gewähren dürfen. Den hier geregelten Nachweispflichten komme auch im Hinblick auf den angestrebten Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht eine erhebliche Bedeutung zu. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser geltenden Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Eine vorherige Abmahnung dieses Sachverhalts sei nicht erforderlich. Es sei für den Kläger als Justizbeschäftigten ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass ein solches Verhalten nicht hingenommen werde. Auch im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses von drei Jahren überwiege das arbeitgeberseitige Interesse an einer sofortigen Beendigung.

Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 26.4.2022

Infektionsschutzgesetz: Keine Pflicht, ungeimpftes Pflegepersonal in Seniorenheim zu beschäftigen

Die Corona-Pandemie wird in vielerlei Hinsicht die Gerichte noch längere Zeit beschäftigen. Besonders im Arbeitsrecht birgt die Pandemie – zum Beispiel mit Quarantäneregelungen und teilweiser Impfpflicht – ein hohes Streitpotenzial. Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat jetzt in zwei Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die Anträge von in der Pflege tätigen Klägern abgewiesen. Diese werden von ihrer Arbeitgeberin nicht mehr in deren Seniorenheim eingesetzt. Daher verlangten die Kläger durch Eilanträge, dass sie zunächst weiter beschäftigt werden müssten.

Die Kläger haben sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen. Die Betreiberin des Seniorenheims hatte sie seit dem 16.3.2022 freigestellt. Dies begründete sie mit der seit 15.3.2022 bestehenden Pflicht nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 20a IfG), wonach Personen, die in Einrichtungen zur Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen arbeiten, über einen Impfnachweis oder z.B. einen Genesenennachweis verfügen müssen. Hiergegen hatten die Kläger in Eilverfahren bei dem Arbeitsgericht (ArbG) Gießen geklagt.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Gießen hatte die Anträge abgewiesen. Das LAG als Berufungsgericht hat diese Urteile nun bestätigt. Die Arbeitnehmer hätten keinen Anspruch darauf, in ihrem Arbeitsverhältnis beschäftigt zu werden. Der erforderliche Impfnachweis wirke wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung. Bei der Abwägung der Interessen habe die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer freistellen dürfen. Das schützenswerte Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims, vor einer Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens bewahrt zu werden, überwiege das Interesse der Pflegekräfte, ihre Tätigkeit ausüben zu können.

Beachten Sie | Die Entscheidungen des LAG sind rechtskräftig. Eine Revision zum Bundearbeitsgericht (BAG) ist in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich.

Quelle | Hessisches LAG, Urteile vom 11.8.2022

Corona-Kontaktperson: Behördlich angeordnete Quarantäne während des Urlaubs

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte.

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21.10.2020. Mit Bescheid vom 14.10.2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21.10.2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Kläger untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Die Beklagte belastete das Urlaubskonto des Klägers mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaubsentgelt.

Der Kläger hat die auf Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto gerichtete Klage darauf gestützt, es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Der Arbeitgeber müsse ihm deshalb entsprechend dem Bundesurlaubsgesetz (hier: § 9 BurlG), dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) ist dieser Auffassung gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Für das BAG ist die Frage entscheidungserheblich: Steht es mit europäischem Recht im Einklang, wenn vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war? Diese Frage muss nun der EuGH beantworten.

Quelle | BAG, Beschluss vom 16.8.2022,

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